Was ist Terrorismus?

Die begriffliche Definition von Terrorismus erscheint aufgrund der hohen Präsenz des Begriffs im Alltagsdiskurs wichtig und gleichzeitig fast unmöglich. Aber warum ist das so, dass dieser Begriff sowohl im Alltagswissen der Bevölkerungen als auch in Wissenschaft und Politik so schwierig zu fassen bis hin zu „umstritten“ (Daase 2001: 57) ist? In den von Jugendlichen in unserem Projekt in Neu-Anspach durchgeführten Straßeninterviews zu der Frage, was Terrorismus ist, gab es lediglich einen Grundkonsens darüber, dass Terrorismus eine Strategie sei, ‚anderen‘ die eigene Meinung mit Gewalt aufzuzwingen (Podcast 1).

Aussagen aber, bei denen Terrorismus ausschließlich mit dem Islam in Verbindung gebracht wurde oder gar als Gewalt von „ausländischen Mitbürgern gegen uns als Deutsche“ dargestellt wurde (vgl. Podcast 1) lassen andere Differenzlinien erkennen, die durch diesen Diskurs hergestellt und verstärkt werden (siehe auch Kapitel 4). Hegemann und Kahl stellen fest, dass eine trennscharfe Definition des Begriffs kaum möglich sei, da die Bezeichnung von einem Phänomen als Terrorismus immer schon eine Wertung beinhalte, die auch politische und gesellschaftliche Folgen habe (vgl. 2018: 9). Außerdem sei es auch schwierig Terrorismus von anderen Formen der Gewalt, wie Bürgerkrieg, Guerillakampf etc., abzugrenzen, da sie sich häufigüberschneiden. Terroristische Akteure können sich auch gleichzeitig in anderen Feldern mitanderen Strategien einbringen. So ist der so genannte Islamische Staat (IS) gleichzeitig ein Akteur im Bürgerkrieg in Syrien und Irak, betätigt sich im Feld der organisierten Kriminalität, etwa im Ölschmuggel und nimmt in den von ihm kontrollierten Gebieten Staatsaufgaben war. Daneben verüben Anhänger*innen des IS in diesen Regionen aber auch weltweit terroristische Anschläge.

Anstatt der Merkmale, lässt sich Terrorismus aber auch anhand der Wirkung seiner Benennung definieren. Terrorismus ist ein hoch emotionalisierter Begriff, der immer normativ wirkt, indem als terroristisch bezeichnete Handlungen und Gruppen als besonders illegitim betrachtet werden (vgl. Hegemann / Kahl 2018: 12). So ist laut Louise Richardson das einzige universell anerkannte Merkmal von Terrorismus, dass er als negativ, böse betrachtet wird (dies. 2007 : 27). Eine klare Definition wird zudem darüber erschwert, dass der Begriff oftmals zur Delegitimierung politischer Gegner*innen und zur Rechtfertigung von umstrittenen politischen Maßnahmen als Anti-Terrormaßnahmen strategisch genutzt wird. Besonders deutlich wird dies bei der historischen Betrachtung von Benennungen. So wurde etwa der erste Schwarze Präsident Süd-Afrikas und Nobelpreisträger Nelson Mandela noch bis 2008 auf der US-amerikanischen Terror Watch List geführt (vgl. Bock 2009:9). Gleichzeitig würde aus heutiger Perspektive niemand die Hitler-Attentäter als Terroristen bezeichnen, was der Definition nach und aufgrund ihrer Mittel und Strategien möglich wäre (vgl. Pfahl-Traughber 2016: 15).

Für eine Arbeitsdefinition im Kontext Politischer Bildung liegt es insofern nahe dem Vorschlag kritischer Terrorismusforscher*innen zu folgen und immer kontextabhängig nach der diskursiven Konstruktion von ‚Terrorismus‘ und der als ‚terroristisch‘ benannten Akteure und Handlungen zu fragen (vgl. Hegemann / Kahl 2018: 15; siehe auch Jackson 2005; Hülsse und Spencer 2008). Damit rückt die Wirkung des Diskurses über Terrorismus im jeweiligen diskursiven Setting in den Fokus. Die Fragen, wer, den als Terrorist*in bezeichnet, warum und mit welchen Folgen, sollten im pädagogischen Setting insofern immer Teil einer kritischen Auseinandersetzung sein, damit eine kritisch reflexive Haltung möglich wird.

Material

Podcast 1: Was ist Terrorismus?

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Wie schwierig, unterschiedlich und auch problematisch eine Definition von Terrorismus sein kann, zeigt sich in den Straßeninterviews, die Teilnehmende im Projekt im Herbst 2019 durchgeführt haben.
Leitfragen zur Bearbeitung:
Was sind die wichtigsten hier angesprochenen Merkmale von Terrorismus? Ergibt sich aus den Interviews eine klare Definition von Terrorismus?
Gibt es Antworten, die ihr problematisch findet und wenn ja, was stört euch daran?

Podcast 2: Was heißt Terrorismus und warum?

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Was, wann Terrorismus genannt wird und inwieweit die rassistische Gleichsetzung von Terrorismus mit Islamismus auch durch Medien gefördert wird, arbeiten Jugendliche in diesem Beitrag heraus.
Zur Bearbeitung des Beitrages können zusätzlich kleine Zeitungsausschnitte zu den Anschlägen in München 2016 bereitgestellt werden, in denen der Täter zunächst als ‚Terrorist‘ und später als ‚Amokläufer‘ beschrieben wird.
Leitfragen zur Bearbeitung:
Warum hat die Berichterstattung wohl die Bezeichnung ‚Terroranschlag‘ fallengelassen, nachdem kein islamistischer Hintergrund festgestellt werden konnte?
Warum ist es überhaupt wichtig, ob etwas ‚Amoklauf‘ oder ‚Terroranschlag‘ genannt wird?
Musik: cc-by-Split_Phase-nc-sa

Podcast 3: Terrorismus global

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In diesem Straßeninterview wird klar, dass die Leute hier in Deutschland, wenn sie an Terrorismus denken, eher an den Anschlag in New York von 2001 oder die Anschläge der letzten Jahre in Paris denken, als an Anschläge im Globalen Süden.
Leitfragen zur Bearbeitung:
Von welchen Terroranschlägen außerhalb von Europa und den USA habt ihr schonmal gehört?
Würde sich in der Gesellschaft etwas ändern, wenn mehr über Terroranschläge in Ländern jenseits von Europa / den USA berichtet würde und wenn was?

Methode

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