„Wenn man Freiheit will, gibt es Straftaten. Das lässt sich nicht verhindern. Wenn man Sicherheit will, hat man leider keine Freiheit. Aber beides geht nicht.“
Podcast 17
Maßnahmen gegen Terrorismus verfolgen sowohl sicherheitspolitische, polizeilich-militärische Maßnahmen als auch bildungs- und entwicklungspolitische Strategien (Hegemann / Kahl 2018: 113; siehe auch Schwerpunkt 2). Mit Ankündigung des ‚Kampfes gegen den Terrorismus‘ wurde ein wirkungsvoller Deutungsrahmen für nationale und internationale Politiken geschaffen, der mit Sicherheitsargumenten vielfältige und tiefgreifende Maßnahmen rechtfertigt (vgl. ebd.: 120). Diese Argumentationsweise kann als Prozess der ‚Versicherheitlichung‘ von immer mehr Politikfeldern und Lebensbereichen beschrieben werden (vgl. Buzan, Wæver und de Wilde). Nach den Snowden-Enthüllungen etwa berief sich der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich auf ein angebliches „Supergrundrecht Sicherheit“. Nicht Einschnitte von bürgerlichen Freiheitsrechten müssten demnach gerechtfertigt werden, sondern die Nicht-Durchsetzung gewisser Sicherheitsmaßnahmen im Kampf gegen Terrorismus sei rechtsfertigungsbedürftig (vgl. ebd.: 181).
Die zunehmende Versicherheitlichung von immer mehr Lebensbereichen, führt zur Ausweitung des Sicherheitsbegriffs und zum Abbau bisher bestehender Grenzen etwa von innerer und äußerer Sicherheit aber auch zwischen den unterschiedlichen Sicherheitsorganen eines Staates wie Polizei, Geheimdiensten und Militär (vgl. ebd.: 121). Innerhalb der Anti-Terrormaßnahmen lassen sich zwei Trends ausmachen: Erstens die Strategie Terrorismus selbst als Form des Krieges zu begreifen, die demnach auch militärische Reaktionen darauf rechtfertigt. Zweitens die Konzeption von Terrorismus als kriminelle Handlung, die ihre Antwort in Strafverfolgung durch Justiz und Sicherheitsbehörden findet (vgl. ebd.: 148). In beiden Fällen kommt es hingegen in Rahmen der Versicherheitlichung der politischen Strategien zu Maßnahmen, die nicht mit Völker- und Menschenrechten, sowie mit bürgerlichen Freiheitsrechten vereinbar sind. Die Reaktionen der USA auf die Anschläge von 9/11 zeigen besonders deutlich, wie mit der Versicherheitlichung des Diskurses über Terrorismus Maßnahmen auch gegen geltendes nationales Recht, Völker- und Menschenrecht umgesetzt werden – wobei auch der Ausnahmezustand in Frankreich, sowie multilaterale Interventionen etwa in Mali, am Horn von Afrika oder in Libyen diesem politischen Trend entsprechen. Mit dem Argument der neuen Bedrohung durch besonders skrupellose Terrorist*innen intervenierten die USA, unterstützt durch Bündnispartner*innen in Irak und in Afghanistan. Es kam zur Rechtfertigung von Folter, in Gefängnissen, wie Abu Ghraib in Irak oder zur dauerhaften Inhaftierung in Geheimgefängnissen, wie etwa in Guantánamo ohne rechtsstaatliche Prozesse. Zudem kam es, etwa beim Einsatz unbemannter Drohnen zur ‚gezielten Tötung von Terrorverdächtigen‘, zum Tod von unbeteiligten Menschen (vgl. ebd.: 150f.).
In Deutschland wurden nach 2001 mit den Antiterrorpakenten I & II Maßnahmen ergriffen, die sich in ihrer Wirkung insbesondere gegen so genannten islamistischen Terrorismus wenden, wie z. B., dass die Bildung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer „ausländischen terroristischen Vereinigung“ (§129b StGB) unter Strafe gestellt wurde (vgl. ebd.: 156). Rechtliche Auswirkungen seit dem LKW-Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 betrafen vor allem Änderungen zu Aufenthalts- und Asylrecht, sowie zu doppelter Staatsbürgerschaft und eine verschärfte Abschiebepraxis (vgl. ebd.: 164).
In ihren Beiträgen griffen die Jugendlichen auch die Frage auf, wie im Kontext von Antiterrormaßnahmen die Waage zwischen Freiheit & Sicherheit gehalten werden kann.
Hegemann und Kahl erklären die gravierenden Maßnahmen mit dem „Aufeinandertreffen von hohem öffentlichem Druck auf der einen und großer Ungewissheit hinsichtlich terroristischer Risiken auf der anderen Seite erklärt werden können.“ (vgl. ebd.: 169). Wenn man nun aber aufgrund statistischer Daten davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit in Deutschland / den westlichen Demokratien, Opfer eines Terroranschlages zu werden äußerst gering ist, muss präzisiert werden, dass dieser Handlungsdruck durch einen Diskurs erzeugt wird, in dem bestimmte besonders ‚laute‘ Gruppen das Gefühl der Unsicherheit verstärken. Folge davon ist unter anderem die Kriminalisierung von Migrant*innen und Geflüchteten – ein Argument, dass rechten bis rechtsextremen Parteien Aufschub gibt.