Stephanie Häusinger (politische Bildnerin & Teamerin im Projekt walt_er)
Das Thema Nationalismus und Separatismus scheint erst einmal komplex und dockt nicht direkt an die unmittelbare Lebenswelt der Jugendlichen an. Für einen spielerischen Einstieg in das Thema ohne Umweg über längere Definitionen, entwickelten wir das Buntnasen-Spiel, in dem die Spielerinnen sich in Bürgerinnen des Buntnasen-Landes verwandeln und die auftretenden Konflikte zwischen den einzelnen Regionen zu lösen versuchen – oder eben nicht. Anhand der im Spiel auftretenden Ereignisse lassen sich in der anschließenden Reflexion leicht Verbindungen zu realen Nationalismus- und Separatismus-Tendenzen ziehen. Die Methode eignet sich für Jugendliche ab 14 Jahren und Gruppen ab 10 Personen. Das Spiel ist bewusst so angelegt, dass nur geringe deutsche Sprachkompetenzen notwendig sind.
Im Rahmen unserer Werkstatt für innovative Methoden steht basa e.V. gerne als Kooperationspartner*in bereit, um Spiele dieser Art bei ihnen umzusetzen oder für andere Themen und Kontexte zu entwickeln.
Story
In einem nicht allzu fernen Land leben die Buntnasen. Das Land ist in vier Regionen unterteilt: Hier leben Rotnasen, Gelbnasen, Grünnasen und Blaunasen. Sie haben jeweils eigene Eigenschaften und unterscheiden sich in ihrer Kultur, Wirtschaft, Geschichte, Politik und Sprache. Vor vielen Jahren und nach vielen Kriegen haben sich diese einzelnen Gebiete zu einem großen Nationalstaat zusammengeschlossen: dem Buntnasen-Land. Seitdem hat es keine Kriege mehr zwischen den einzelnen Regionen gegeben. Nun ist es möglich, frei im Land umherzuziehen. Trotzdem: Die Regionen sind sehr unterschiedlich, und einige Nasen sind mit diesem Nationalstaat nicht so zufrieden wie andere …
Eine ungleiche Ressourcenverteilung, ein Terrorismusverdacht und die Unabhängigkeitsbestrebungen einer Region stellen die interregionale Solidarität und den Nationalstaat auf die Probe. Was muss noch passieren, damit es zur Eskalation kommt… oder auch nicht?
Pädagogische Ziele
- Spielerischer Einstieg und emotionaler Zugang zu Nationalismus, Separatismus und Terrorismus über Selbsterfahrung im Spiel
- Förderung von kritischer Meinungsbildung zu Nationalidentitäten
- Reflektieren der Politisierung von nationalen Grenzen und Politiken
- Förderung von positiven Konfliktlösungskompetenzen
Umsetzung
Die Spieler*innen verwandeln sich in Rotnasen, Gelbnasen, Grünnasen und Blaunasen. Sie bauen sich in ihrem Territorium eine eigene Identität auf, inklusive eigener Geschichte, Flagge und Motto. Anschließend findet das Spiel in mehreren Tauschrunden statt, in denen die Regionen die für ihre Bürgerinnen notwendigen Ressourcen eintauschen müssen.
Jedoch werden diese Tauschrunden durch ungleiche Handelsverhältnisse und verschiedene Ereignissen erschwert: Eine Region ist durch eine plötzlich auftretende Hungersnot nicht mehr in der Lage, ihre Bürgerinnen mit ausreichend Ressourcen zu versorgen. Eine andere Region wird des Terroranschlags auf die Regierungsgebäude verdächtigt, während die Nachbarregionen ihre Grenzzäune verstärken. Und in diesem Tumult kommt die nationalistisch-konservative Partei an die Regierung während auf der anderen Seite separatistischen Tendenzen zunehmen… Die Spielerinnen entwickeln in jeder Region eine andere Strategie, um auf diese Ereignisse zu reagieren. Die Strategien kommen allerdings nicht bei allen Regionen gut an, was sich nach jeder Runde durch die Zustimmung im Applaus-Barometer widerspiegelt. Das Spiel ist bewusst so ausgelegt, dass es sowohl kollaborative als auch konfliktive Spielstrategien zulässt und diese und deren Ursachen später in der Reflexion ausgewertet werden.
Vom Spiel zur Reflexion
Die Reflexion beginnt zunächst in den Kleingruppen nach Regionen, und wird dann in die Großgruppe getragen. Was ist im Spiel geschehen? Woher kam dieses Gruppengefühl für „eure“ Region? Nachdem alle Gruppen ihre Erfahrungen und Gefühle im Spiel mitteilen konnten, beziehen wir das im Spiel Geschehene auf die Realität: Wo gibt es Ähnlichkeiten, wo Unterschiede? Worin wurden nationalistische Tendenzen sichtbar und worin separatistische? Wieso gab es terroristische Anschläge im Buntnasen-Land und waren sie legitim?
In unserer Erfahrung haben die Jugendlichen selbstständig komplexe Sachverhalte anhand von Spielszenen erklärt und so die Ursachen, Konsequenzen und Problematiken von Nationalismen und Separatismen erarbeitet. Besonders die Ressourcenkonflikte und die sich dadurch verstärkenden Praxen von nationalistischem Ein- und Ausschluss lieferten Diskussionsmaterial.